Sprache: Deutsch
Die Entwicklung von Konzepten zur semantischen Harmonisierung von Objektinformationen bildet einen zentralen Arbeitsbereich in TA6, bei dem die Klassik Stiftung Weimar und das FAU Competence Center for Research Data and Information eng zusammenarbeiten. Dabei wird das Konzept der Objektbiografie mit Semantic-Web-Technologien ins Digitale übertragen, um die heterogenen, multidisziplinären Daten der NFDI4Objects-Community zu integrieren und so zu vernetzen, damit institutions- und bestandsübergreifende Fragestellungen beantwortet werden können.
Bei einer Objektbiografie wird die Idee der Biografie auf materielle Kulturgüter übertragen, um Wege, Kontexte, Bedeutungen und Veränderungen zu rekonstruieren [1,2]. Sie ist eine wichtige Grundlage für archäologische und objektbasierte Forschung, wie Sammlungs- und Provenienzforschung. Bei Artefakten beginnt sie mit Herstellung oder Konzeption eines Gegenstandes, der anschließende Nutzungs- und eventuelle Vergessensphasen durchläuft, bis er wieder aufgefunden wird und in einen Sammlungskontext eingeht. Bei naturkundlichen Gegenständen beginnt sie mit der Geburt oder erdzeitlichen Entstehung. Objektbiografien können nicht ohne Akteure geschrieben werden, die Objekte herstellen, nutzen, aus der Natur entnehmen, ausgraben, erwerben, ausstellen, kontextualisieren und erforschen. Letztlich rekonstruieren sie Objektbiografien, wobei Quellen (Bild- und Schriftgut, Datenbanken) eine tragende Rolle zukommt. Die Verbindung von Objektinformation und Quelle belegt und kontextualisiert Aussagen. Durch Fokussierung auf Informationsprovenienz wird die Datenqualität gehoben.
Die Digitale Objektbiografie ist ein Modell der Datenintegration zur Vernetzung heterogener, verteilter und unterschiedlich erschlossener Informationen. Sie bildet einen „Maximaldatensatz“ und ermöglicht multiperspektivischen Zugriff auf Daten sowie disziplinübergreifende Recherche. Durch Abbildung von Informationsprovenienz werden Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit kenntlich gemacht. Die Kontextualisierung der zugewiesenen Objektinformation wird durch ereigniszentrierte Modellierung umgesetzt, bei der Akteur:innen, Zeit, Ort und weitere Angaben miteinander verbunden werden. Hierfür wird das im Kulturerbereich etablierte Conceptual Reference Model des ICOM CIDOC [3] in der aktuell gültigen ISO-Entsprechung Version 7.1.3 als Beschreibungsstandard genutzt. [4]
Das Objekt und seine digitalen Repräsentationen werden als Einheit betrachtet. So können sich verändernde Bedeutungen, Kontextualisierungen und Zuschreibungen transparent und nachvollziehbar abgebildet werden. Die digitale Erforschung individueller Objektbiografien bedarf interoperabler, reichhaltiger Daten aus verschiedenen Quellen [5, 6], die über die CIDOC CRM-basierte Objekt-Ontologie zusammengeführt [7, 8] und mit weiteren Informationen angereichert werden, um Geschichte und spezifische Kontexte des Objekts so vollständig wie möglich in Verbindung mit vorhandenen Quellen abzubilden [5, 9].
Objektinformationen werden in den inhaltlich arbeitenden Task Areas 1-4 (“Documentation”, “Collection”, “Analytics and Experiments”, “Protection”) erzeugt, etwa Grabungsdaten, Sammlungsinformationen, Laboranalysen oder Restaurierungsberichte. Anschließend werden die heterogenen, multidisziplinären Daten in TA 6 “Qualification, Integration and Harmonisation” zusammengeführt, um für den in TA 5 "Storage, Access and Dissemination" erstellten N4O Wissensgraphen abfragbar gemacht zu werden [10, 11].
Die Entwicklung findet forschungsgetrieben statt, Lösungsansätze werden mit der Community diskutiert und formalisiert. Zudem besteht der Anspruch, mit dem entstehenden Modell Bedarfen und Anforderungen an Kulturerbedaten innerhalb und außerhalb der NFDI-Community zu begegnen und es im Rahmen von Workshops zu erproben und zu erweitern. Eine enge Zusammenarbeit erfolgt mit der TWG “N4O Object Ontology and Minimal Metadata Set” [8] sowie den Konsortien der Memorandumsgruppe (NFDI4Culture, NFDI4Memory, Text+). Ein Proof of Concept erfolgt in der virtuellen Forschungsumgebung WissKI innerhalb der FAU WissKI Cloud https://wisski.data.fau.de/.
[1] Kopytoff, Igor. 1998. “The Cultural Biography of Things”. In: The Social Life of Things, ed. Arjun Appadurai, 64-91. Cambridge.
[2] Braun, Peter. 2015. Objektbiographie. Ein Arbeitsbuch. Mit Beiträgen von Kerrin Klinger und Hannes Wietschel. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften. S. 10-14.
[3] CIDOC CRM Special Interest Group. 2024. Versions of the CRM. Internet. https://cidoc-crm.org/versions-of-the-cidoc-crm.
[4] NFDI4Objects. 2024. NFDI4Objects Core Ontology, Object Ontology, Minimal Metadata Set, Objektbiography. GitHub. https://github.com/nfdi4objects/n4o-core-ontology.
[5] Wagner, S. 2024. Digitale Objektbiografien für NFDI4Objects. 15. Jahrestagung für
Universitätssammlungen 2024, Neue Rollen, neue Ziele? Universitätssammlungen im
Spannungsfeld von Forschung, Finanzen und Politik, Zürich. Zenodo.
https://doi.org/10.5281/zenodo.11471183
[6] Wagner, Sarah, Anja Gerber. 2024. NFDI4Objects Core Ontology und Objektbiografien. Workshop NFDI4Memory-Ontologie-Entwicklung, 30. Januar 2024. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.10591898.
[7] AG Minimaldatensatz. 2024. Minimaldatensatz-Empfehlung für Museen und Sammlungen (v1.0.1). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.12759620
[8] Gerber, Anja, Thiery, Florian, Fricke, Fabian. 2024. N4O Objects Ontology and Minimal Metadata Set. Community Meeting NFDI4Objects.
[9] Thiery, Florian u. a. 2023. “Object-Related Research Data Workflows Within NFDI4Objects and Beyond” In Proceedings of the Conference on Research Data Infrastructure, 1. https://doi.org/10.52825/cordi.v1i.326.
[10] Bibby, David u. a. 2023. NFDI4Objects - Proposal. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.10409228.
[11] NFDI4Objects. 2024. NFDI4Objects Graph. GitHub. https://github.com/nfdi4objects/n4o-graph.
Task Area 6, Bereich Datenintegration und -harmonisierung:
- Die Klassik Stiftung Weimar und das FAU Competence Center for Research Data and Information entwickeln in enger Zusammenarbeit mit der Community u. a. ein Datenmodell für die Erstellung digitaler Objektbiografien als "Maximaldatensatz" basierend auf dem CIDOC CRM 7.1.3 als ISO-zertifizierter Beschreibungsstandard für den Kulturerbebereich.
- Um die heterogenen und multidisziplinären Forschungsdaten des Konsortiums zusammenführen zu können, erarbeiten wir in der Temporary Working Group "N4O Object Ontology und Minimal Medata Set" gemeinsam mit Vertreter*innen aller Task Areas sowie der Community einen sogenannten Minimaldatensatz sowie eine Ontologie als dessen RDF-Repräsentation.
- Ich habe Informationswissenschaften und Digitales Datenmanagement studiert und mich für die Zusammenführung multimodaler Daten mit Schwerpunkt Meta- und Normdaten, Ontologien und Terminologien spezialisiert.
Sarah Wagner ist seit Juli 2023 am FAU Competence Center for Research Data and Information Co-Leitung des WissKI Lab und u. a. für Ontologie- und Datenmodellentwicklung in NFDI4Objects TA6 zuständig. Die Kunsthistorikerin ist spezialisiert auf die Kulturtechnik des Sammelns, Sammlungsdokumentation und -rekonstruktion sowie semantische Wissensmodellierung mit dem CIDOC CRM. Seit 2012 arbeitet sie an Museen und Universitäten in den Bereichen Ausstellung, Sammlungsforschung und -erschließung.
Guenther Goerz, Dipl.-Math., Dr.-Ing., is Professor emeritus of
Computer Science (AI) at the University of Erlangen-Nürnberg and head of
the Digital Humanities research group. He is also a member of the
school of Humanities, and has been a visiting scholar at the LILOG
project (IBM), at several universities in Europe and the US, and at
the Max Planck Institutes for the History of Science (Berlin) and for
Art History (Bibliotheca Hertziana), Rome. He was the principal
investigator of the DFG funded project "Wissenschaftliche
Kommunikations-Infrastruktur" (WissKI) including the "Erlangen CRM/OWL"
implementation of CIDOC CRM. His research interests include
Applied Logic, Knowledge Representation and Processing, Natural Language
Processing, Cultural Heritage Documentation and the History of Cartography.