Poster: Materialität in Raum und Zeit: Messtechnische und kulturhistorische Herausforderungen im Rahmen der 3D-Digitalisierung
Sprache: Deutsch

Im Mittelpunkt des Forschungsverbundes DiViAS (Digitalisierung, Visualisierung und Analyse von Sammlungsgut) steht – neben der Extraktion und Analyse von Schiffsrouten aus Logbüchern – die Transformation physischer Sammlungsobjekte in die digitale Welt. Herausforderungen finden sich hierbei in der Objekterfassung, Datenspeicherung und -analyse sowie den Unterschieden zwischen dem physischen historischen Objekt und dem 3D-Digitalisat, das in Genauigkeit und Auflösung begrenzt ist. Mittels der 3D-Digitalisierung sollen die Materialität der Objekte charakterisiert, Herstellungstechniken nachgewiesen und Veränderungen erfasst sowie Forschungen der Geschichtswissenschaft unterstützt werden. DiViAS verbindet dabei transdisziplinär Expertise aus dem Bereich der Geschichts- und Kulturwissenschaften, 3D-Messtechnik und Data Science.

Exemplarisch bilden die Objekte der Sammlung „Kuprejanov“ des Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg die Ausgangsbasis für die zu entwickelnden Methoden. Der russische Marineoffizier Ivan Antonovich Kuprejanov (1799-1857) hat die Objekte während seiner Amtszeit als Gouverneur von Russisch-Amerika in den 1830er Jahren erworben. Das Konvolut beinhaltet 137 heterogene Objekte, wie Werkzeuge, Kleidung, Bootsmodelle und rituelle Artefakte sowie einige naturkundliche Objekte. Aufgrund ihres Erwerbsdatums gilt die Sammlung als eine der frühsten von der Nordwestküste Amerikas und besitzt dadurch materiell und gestalterisch einmalige Objekte mit großer Bedeutung für die Herkunftsgesellschaften und die Forschungscommunity. Von großem Interesse ist hierbei auch die Herausarbeitung der Provenienzkette, die naturgemäß aufgrund von Alter und Ort erhebliche Lücken aufweist, die aber durch eine strukturierte Erfassung der Materialität maßgeblich unterstützt werden kann.

Mittels Methoden der optischen 3D-Messtechnik werden die Sammlungsstücke dreidimensional digitalisiert, um diese der interessierten Öffentlichkeit und Forschenden im Sinne der FAIR- und CARE-Prinzipien weltweit zur Verfügung zu stellen. Sie bestehen u.a. aus Fischhaut, Robbendarm und Walrosselfenbein, die die Erfassung wegen der Veränderung des Zustandes (Schrumpfung, Austrocknung und Veränderung der Farbe) vor besondere Herausforderungen stellt. Ferner müssen beispielsweise Innenräume berücksichtigt werden, die zu klein für gängiges Instrumentarium sind, transparente Oberflächen erfasst oder bewegliche Teile dargestellt werden, immer unter der Berücksichtigung der Empfindlichkeit der Objekte. Die Erfassung muss dabei nachvollziehbar dokumentiert und die entstandenen Daten auffindbar gespeichert werden. Für diesen Zweck sind Datenmodelle notwendig, die den Erfassungsvorgang ausreichend abbilden, um die Nachnutzbarkeit von Daten auch zu einem späteren Zeitpunkt zu gewährleisten. Die entstehenden 3D-Modelle sind mit Informationen zu den historischen Objekten zu verknüpfen unter der Berücksichtigung, dass zu einem physischen Artefakt eine Vielzahl von Digitalisaten gehören können.

Auf Grundlage von 3D-Digitalisaten lassen sich Analysen durchführen, die durch die herkömmliche zweidimensionale Dokumentation nicht unterstützt werden. So können beispielsweise Maße und Volumen automatisiert abgeleitet, feste Perspektiven erzeugt und auf diese Weise Geometrien verglichen und Ähnlichkeiten gefunden werden. Die Kombination aus historischem Wissen und strukturierter Beschreibung der Objekteigenschaften mittels standardisierter Attribute und Normvokabular ermöglicht einen Vergleich der Objekte auf verschiedenen Ebenen und so eine Verbindung von Datenbeständen für effiziente Untersuchungen. Die Ergebnisse sollen anschließend in ein öffentliches Portal einfließen.

Im Rahmen der Poster-Einreichung soll das DiViAS-Projekt und die Fallstudie „Materialität“ mit ihren Objekten vorgestellt, Herausforderungen bei der Objektdigitalisierung sowie Datenerfassung diskutiert und Ansätze im Bereich der Daten- sowie Prozessmodellierung präsentiert werden.

Von 2017 bis 2022 Studium im Bereich der Geoinformation. Zunächst Angewandte Geodäsie im Bachelor, anschließend Geoinformationswissenschaften im Master. Seit 2022 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG) der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth tätig, unter anderem im Projekt "Modelldigitalisierung 3D von Natur- und Kulturgut Oldenburg" (MoDi) und aktuell im Projekt "Digitalisierung, Visualisierung und Analyse von Sammlungsgut" (DiViAS).